Die Rose der Sewi by Ludwig Steub
Autor:Ludwig Steub
Format: epub
Tags: Erzählungen
Herausgeber: Albert Langen, München
IX
Die Püffe und die StöÃe, welche alle die Gestürzten und Zugedeckten in jener Stunde erlitten, sie können wir, wie sich wohl von selbst versteht, auch nur mit einiger Vollständigkeit nicht verfolgen; wir müssen uns deswegen aus unser liebendes Paar beschränken, obwohl dies kaum ein liebendes zu nennen ist, da dessen einer Teil, ja bereits zu lieben aufgehört hatte, als der andre eben anfangen wollte.
Wir haben wohl alle, ohne daà es die Erzählung besonders hervorhob, schon selber angenommen, daà Florian Weitenmoser von der geschilderten Katastrophe nicht unbetroffen blieb. Das letzte, was er oben gehört hatte, war der schönen Rosi Notschrei; nach diesem versank er selbst in die Dunkelheit und schlug mit dem Kopfe so hart an das Gerüste, daà er erst eine kleine Weile ganz sinnlos dalag. Als er wieder zu sich gekommen, glaubte er sich unter einer schweren, rabenschwarzen Decke von Gewändern zu befinden, welche ihm das Tageslicht vollkommen abschnitt. Bald drohte ihm auch der Atem auszugehen. Er suchte sich krampfhaft aufzurichten, aber es gelang nicht. Dann rief er mit der letzten Kraft nach Hilfe, aber es hörte ihn niemand. Das Lebenslicht schien erlöschen zu wollen, aber freilich unter den angenehmsten Umständen. Es trat nämlich, was in solchen Lagen öfter vorkommen soll, ein ganz poetisches Delirium ein, dessen reizende Bilder unser Freund jedenfalls einiger Bekanntschaft mit Wielands Oberon oder gar mit Shakespeares Mittsommernachtstraum zu danken hatte. Eine liebliche Schar von kleinen Elfen schlüpfte aus den Falten der Kleider hervor, schloà einen Reigen und umgaukelte ihn, tanzte auch und sang dabei die schönsten Tanzweisen, welche ja bekanntlich niemand schöner singen kann, als die Elfen. Dann lösten sie den Reigen und liefen einzeln auf seinem Leibe und seinen Gliedern umher, wobei sie sich ungemein zierlich neckten und zu haschen suchten. Eine der Schwestern, mit Namen Dalinda, flog auf seinem Kinne an, warf zwar die durchsichtigen Gliederchen nach allen Seiten, zeigte jedoch mit den FüÃen vorzüglich nach oben, wie wenn von dort Hilfe kommen sollte. Eine andere in himmelblauem Röckchen hüpfte auch längere Zeit auf seiner Nase herum, was ihn nicht im mindesten zu belästigen schien. Zugleich warf sie ihm KuÃhändchen zu und erlaubte sich noch andere seltsame Gebärden, die wir aber nicht genauer schildern wollen, um dem Rufe des Mädchens nicht zu nahe zu treten. Endlich erschien auch die Königin Titania, ein feines, sehr leicht gekleidetes, aber sehr liebreizendes Wesen mit blauen Augen, blonden Haaren und einem Krönlein darin, wie es selbst unser Herr Max Rottmanner, Juwelier (Theatinerstr. Nr. 12), nicht geschmackvoller herstellen könnte. Aus Gefälligkeit und zum Trost für den jungen Mann hatte die Königin heute die Züge angenommen, welche im wirklichen Leben die uns schon näher bekannte Rose der Sewi trug. Sie war weitaus die schönste von allen und gewià auch die zuvorkommendste, aber ihre Vertraulichkeiten litten an einem bedenklichen Umstände. Während nämlich die anderen Elfen äuÃerst leicht und flatterhaft und ätherisch zu sein und gar kein Gewicht zu haben schienen, war unsere Titania zentnerschwer, und während die übrigen nur schwebten, schwankten, hüpften und tänzelten, legte sich die Königin sehr fühlbar und sehr wuchtig auf Florians Stirne.
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